Wirtschaft und Wissenschaft auf dem Avatar-Campus: Lernen und Arbeiten in immersiven Welten
Virtuelle 2D- und 3D-Welten neben klassischen Tools der digitalen Kommunikation und Kollaboration – bereits seit fünf Jahren entwickeln und testen Studierende der Fakultät Wirtschafts-wissenschaften hierzu Anwendungsmöglichkeiten. Neben herkömmlichen Videokonferenz-Modulen, Instant-Messaging-Diensten und Screen-Sharing-Optionen kommen nun auch Metaversien, das Eintauchen in eine virtuelle, erweiterte Realität in digitalen Räumen zum Einsatz. Unter der Leitung der Professoren Dr. Gerhard Hube und Dr. Arnd Gottschalk an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt wurde in Kooperation mit dem Münchener Technologiepartner „Metaverse school" der Einsatz sogenannter „immersiver Welten" ausprobiert, in denen virtuelle Umgebungen erzeugt werden und in denen man sich als „Avatar" aufhalten kann.
Bedingt durch die Pandemie waren Unternehmen wie Hochschulen gleichermaßen aufgerufen, neue Wege zu gehen. In einem studentischen Forschungsprojekt wurden diese neuen Welten analysiert und ausprobiert, um die Vor- und Nachteile zu ermitteln. Erkenntnisse und Empfehlungen sowie Praxisbeispiele für die Post-Pandemie-Zeit konnten gesammelt werden. Diese wurden gemeinsam mit Oliver Freitag, Bereichsleiter Innovation und Umwelt der IHK Würzburg-Schweinfurt, in einem Webinar vorgestellt und kritisch beleuchtet.
Dieter Heyne von der Metaverse School zeigte die Historie der Entstehung von Metaversien auf, die 1992 mit Neal Stephensons Roman „Snow Crash“ begonnen habe und über Linden Labs` „Second Life“ 2003 bis hin zu einer Bandbreite von Metaverse-Angeboten geführt habe. Er ergänzte, dass es in diesem Kontext vermutlich neue Berufsbilder geben werde: So seien beispielsweise „Instructional Designer“ oder „Immersive Coaches“ denkbar.
Die beiden Masterstudierenden Theresa Eck und Julian Rubin präsentierten die Ergebnisse des sechsköpfigen Projektteams „Lernen und Arbeiten in immersiven Welten“. In Best-Practice-Beispielen zeigten sie die Anwendungsmöglichkeiten auf: Einsätze virtueller Realitäten seien u.a. realisierbar in den Bereichen der
- Medizin und Pflege (Therapie, Suchterkrankungen, Notfallmedizin)
- Schutz und Recht (Militär, Polizei, Katastrophenschutz, Rettungseinsätze)
- Bildung und Schule (Trainings-, Konstruktions- und Experimentalwelten)
- Labor-Cluster FHWS
Über das Gathertown-Programm hatten sie ihre Hochschulräume in der Würzburger Friedrichstraße als Avatar-Campus originalgetreu nachgebaut. Lehrveranstaltungen konnten künftig während der Pandemie dort stattfinden, die einen persönlichen Austausch mit nur einer Person ermöglichten im Rahmen der Vorlesungen.
In ihrem Beitrag „Gekommen, um zu bleiben. Trends für das digital unterstützte Lernen und Arbeiten im New Normal“ unterstrichen die beiden Professoren, dass es keinen Wunsch nach einer Fern-Hochschule gäbe. Jedoch müsse man sich langfristig auf Änderungen einstellen. So wünschen sich Studierende an der Hochschule für die Post-Pandemie-Zeit zu über achtzig Prozent für den Lehrbetrieb zusätzlich zur klassischen Präsenzlehre ergänzende digitale Lehrinhalte und –formate. Ihre Lernumgebung würden sie zu fünfzig Prozent am liebsten als einen Mix aus Präsenz- und Onlinelehre zusammenstellen.
Die Ergebnisse des Projektes „Hybride Hochschullehre“ aus dem Sommersemester 2021, durchgeführt vom Schwerpunkt Organisationsentwicklung an der FHWS, geben weitere Informationen: Im 1. Studienabschnitt bestehe bei der Hälfte der Studierenden der Wunsch nach Präsenz an der Hochschule, während dieser Prozentsatz im 2. Studienabschnitt auf dreißig Prozent absinke. Die Vorteile der Online-Lehre werden in der hohen Flexibilität und Ressourcenersparnis gesehen. Der Online-Anteil solle überwiegend der Theorievermittlung dienen, vor allem durch Blended Learning bzw. aufgezeichnete Lerninhalte. Beim Präsenz-Anteil sollte der Fokus auf dem interaktiven Unterricht und Diskussionen liegen. Die Anwendung von Kreativtools in der Onlinelehre werde als motivierend, aktivierend und kommunikationssteigernd bewertet.
Im beginnenden Sommersemester wird das Studium in Präsenz starten. Prof. Gottschalk schätzt den Online-Anteil über alle Studiengänge und Semester bei ca. zehn bis zwanzig Prozent ein. Gemäß dem Dekret des Kultusministers und nach Genehmigung durch die Fakultätsleitung werden ausgewählte, bewährte Online-Lehrformate weitergeführt, z.B. Projekt-Coachings, bei denen in kompakten Terminen mit klarer, ergebnisorientierter Agenda und Einbindung externer Projektpartnerschaften keine Anreise nötig sein wird. Darüber hinaus werden aus Gottschalks Sicht Module zur Wissensvermittlung genutzt wie etwa digital vorproduzierte Lerneinheiten der SMART vhb mit Blended Learning-Einheiten. Zudem könnten auch Bachelorseminare angeboten werden, zu denen sich Studierende aus dem Ausland bequem online zuschalten können.
In der abschließenden Diskussionsrunde waren sich die Teilnehmenden einig, dass es nicht darum gehe, virtuelle Angebote einfach per se aufzunehmen – im Fokus stehe vielmehr, genau zu prüfen, in welchen Situationen Online-Angebote Sinn machten und Präsenzangebote optimal ergänzen könnten. Gerade auch an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften werde die Praxisorientierung großgeschrieben. So sei es beispielsweise nicht möglich, Testreihen im Maschinenbau virtuell durchzuführen oder Kurse der Sozialwissenschaften, in denen es auf Körpersprache ankomme. Auch in zahlreichen Unternehmen könne man nicht einfach den Schalter von real auf digital umlegen, meint Oliver Freitag: So gebe es oft Verbindungs- und Technik-Probleme, auch sei aufgrund der Einhaltung des Datenschutzes die Tätigkeit mit etlichen Programmen nicht kompatibel.
Bochumer Zeitung: Wirtschaft und Wissenschaft auf dem Avatar-Campus
Kontakte: Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Fakultät Wirtschaftswissenschaften
Prof. Dr. Arnd Gottschalk
0931 3511-8184
Prof. Dr. Gerhard Hube
0931 3511-8873
Münzstr. 12
97070 Würzburg