Pakete mit Bus und Bahn transportieren: Machbarkeitsstudien prüfen innovative Ansätze für Bayern
Im Rahmen der Logistik Initiative Bayern fördert das bayerische Verkehrsministerium zwei Machbarkeitsstudien des Logistikexperten Professor Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt, Leiter des Instituts für Angewandte Logistik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Es sollen die Möglichkeit der Paket- und Warenmitnahme im öffentlichen Personennahverkehr getestet werden. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt erhält für ihre Projektansätze Fördermittel.
Im Rahmen der Übergabe der Förderbescheide an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt begrüßte Verkehrsministerin Kerstin Schreyer den Ansatz des Instituts für Angewandte Logistik: „Die Möglichkeit, freie Kapazitäten im ÖPNV für die Mitnahme von Paketen zu nutzen, kann zum einen den Lieferverkehr im innerstädtischen Bereich senken. Das kann allen Bürgerinnen und Bürgern in punkto Lärm- und Emissionsreduktion zugutekommen. Im städtischen Umland und ländlichen Raum ergibt sich zum anderen eine wirksame Möglichkeit der Warenzustellung. Dies kann die Wirtschaftlichkeit des öffentlichen Nahverkehrs verbessern.“ Institutsleiter Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt wies auf den großen Forschungsbedarf hin: „Rasant steigendes Paketaufkommen in Städten und die Sicherung der Attraktivität ländlicher Räume durch bedarfsgerechte Versorgungssysteme im Sinne einer Stadt-Land-Logistik sind die drängendsten Herausforderungen, die innovative nachhaltige Lösungen erfordern.“
Dass diese gerade an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt entwickelt werden sollen, liegt für den Hochschul-Präsidenten Prof. Dr. Robert Grebner auf der Hand: „Der Hochschulstandort verfügt über eine hohe Reputation für seine logistische Forschung. Gerade etabliert die FHWS mit Hilfe der Hightech Agenda Bayern neben Digitalisierung und Internationalisierung einen neuen strategischen Bereich Zero Carbon. Das Institut für Angewandte Logistik arbeitet seit vielen Jahren mit Logistik-Unternehmen und Verladern zusammen, um den Gütertransport digitaler und – ganz wichtig – nachhaltiger zu machen.“
Mit den beiden Machbarkeitsstudien sollen in den nächsten zwei Jahren logistische Konzepte entwickelt werden, um Waren und Pakete in Bussen bzw. Regionalbahnen des öffentlichen Nahverkehrs zu transportieren. Dabei werden zunächst Rahmenbedingungen geklärt. Darauf basierend werden Konzepte erarbeitet, deren Machbarkeit technisch, organisatorisch, wirtschaftlich und rechtlich geprüft werden. Abschließend erfolgt ein Praxistest.
Hybridbusse – Menschen und Pakete im selben Fahrzeug
Transportleistungen in dünn besiedelten ländlichen Räumen sind kostenintensiv und oft wenig wirtschaftlich. Dies gilt sowohl für die Paketzustellung, als auch für Linienbusse, die unabhängig von der Auslastung mehrmals täglich verkehren. Um hier freie Kapazitäten besser zu nutzen und zusätzliche Fahrten einzusparen, entwickelt und erprobt die Machbarkeitsstudie „Hybridbusse – Lieferservice unter Nutzung von Bussen des ÖPNVs“ Konzepte zur Paketmitnahme in Bussen.
Dabei sind verschiedene Faktoren zu prüfen: Welche Waren oder Paketarten eignen sich für den Transport mit Bussen aus der Stadt aufs Land oder zurück? Können Waren sicher im Innenraum von Bussen oder Anhängern mitgenommen werden? Wie lassen sich Übergabepunkte für Empfängerinnen und Empfänger sowie Lieferantinnen und Lieferanten gestalten? Wie können derartige logistische Liefersysteme mit Bestell- und Liefersoftware unterstützt werden?
Die Studie leistet damit Vorarbeiten, die für zukünftige Lieferkonzepte im ländlichen Raum generell bedeutsam sein können. „Ein toller Baustein einer neugedachten Landlogistik“, so Prof. Müller-Steinfahrt.
Regionalbahnen als Beitrag zur intermodalen Paketlogistik
Die Bahn ist im Güterverkehr bereits weit verbreitet – allerdings eher im Fernverkehr. Doch auch auf der „vorletzten Meile“ verspricht die Bahn klimafreundliche Transportketten: Kommen in Großstädten bereits emissionsfreie Zustellkonzepte per Lastenrad oder Elektrofahrzeug zum Einsatz, gelten sie in der Fläche vielfach als unwirtschaftlich. Aufgrund der beschränkten Reichweite von Lastenrädern und LEV (Light Electric Vehicles) müssen Sendungen empfängernah angeliefert werden, um dann in die Endzustellung gehen zu können. Regionalbahnen verbinden oft mehrfach täglich Ballungszentren – Standorte von KEP-Depots (Kuriernetzwerken) mit Mittelstädten und sind jenseits der Pendlerzeiten oft wenig ausgelastet. Sie bieten sich damit an, kleinere Transportbehälter zu transportieren, die dann direkt auf das Lastenrad oder E-Fahrzeug umgeschlagen werden können. Damit könnten Zustellfahrzeuge eingespart, Verkehre vermieden und zugleich die Wirtschaftlichkeit von Regionalbahnen erhöht werden. Die Prüfung dieser möglichen Effekte und der notwendigen Rahmenbedingungen ist Ziel des zweiten Projekts des Logistikinstituts aus Würzburg „Intermodale Paketlogistik - Einsatz der Regionalbahnen auf der vorletzten Meile“.
Im Rahmen der Logistik Initiative Bayern begleitete der CNA e.V. die Projektinitiierung und unterstützt die Hochschule zusammen mit der Logistikagentur Oberfranken bei der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Dr. Rudi Aunkofer, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Initiative beim CNA e.V., betont: „Nachhaltige Logistik-Konzepte für Großstädte sind gut und wichtig, die meisten Menschen in Bayern leben jedoch in Klein- und Mittelstädten. Auch hier müssen wir deshalb experimentieren, wenn wir im explodierenden Paket-Markt Emissionen in der Zustellung reduzieren wollen.“
Institut für angewandte Logistik – Kompetenzzentrum für Versorgungssysteme in Stadt und Land
Das Institut für angewandte Logistik bündelt alle logistischen Forschungsaktivitäten der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Neben Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Gütertransport ist die Entwicklung von nachhaltigen Versorgungssystemen und Auslieferkonzepte in urbanen und ländlichen Räumen ein zentraler Forschungsschwerpunkt. Durch das interdisziplinäre Zusammenwirken der Verbundpartner des Instituts insbesondere aus der Informatik und den Sozialwissenschaften werden fachspezifische Aspekte kooperativ erarbeitet. Professor Müller-Steinfahrt leitet das Institut und hat eine umfassende Forschungsvita.
Logistik Initiative Bayern – Dachmarke für innovative Logistik in Bayern
Die Logistik Initiative Bayern ist die Dachmarke für innovative Logistik im Freistaat. Das Netzwerk unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Verkehrsministeriums verbindet sechs regionale Initiativen mit über 300 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Administration. Die koordinierende Funktion liegt dabei beim CNA e.V. Durch die intensive Vernetzung wird das Innovationspotential der Branche gestärkt. Damit sichert sie die Zukunftsfähigkeit des Logistik-Standorts Bayern angesichts globaler Entwicklungen wie Digitalisierung und Klimawandel.
CNA e.V. – Kompetenzinitiative für Verkehr und Logistik
Ziel des CNA e.V. ist seit Gründung 1996 die Stärkung und Weiterentwicklung der Wettbewerbsposition der Branche Verkehr und Logistik entlang der Wertschöpfungskette.
Die Kompetenzinitiative umfasst derzeit rund 140 aktive Mitglieder sowie über 680 Kompetenzpartner. Zu den Schwerpunkten des Netzwerks gehört das Innovationsmanagement in den Bereichen Logistik, Mobilitätssysteme, Automotive, Bahn- und Antriebstechnik. Im Rahmen der „Clusteroffensive Bayern“ beauftragte das Bayerische Wirtschaftsministerium den CNA e.V. mit dem Management der Clusterplattform für Bahntechnik. Darüber hinaus koordiniert der CNA e.V. seit 2014 im Auftrag des Bayerischen Verkehrsministeriums die Logistik Initiative Bayern.