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Neues Verfahren zur hochgenauen Vermessung von Passpunktfeldern

10.09.2019 | thws.de, Pressemeldung, FKV
BMBF- und BMWi-gefördertes Industrieforschungsprojekt entwickelt an der FHWS ein neues Verfahren für hochgenaue Vermessung von Passpunktfeldern mittels Laserscanning

Die Photogrammetrie ist die Wissenschaft der Bildmessung und beschäftigt sich mit der Frage, wie man anhand von Fotos die Maße von Objekten bestimmen kann. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielseitig: Z.B. können auf Smartphones mit geeigneten Apps die Dimensionen von Gegenständen ermittelt oder diese sogar direkt in dreidimensionale Modelle überführt und anschließend mit 3D-Druckern reproduziert werden. Durch die Photogrammetrie ist es möglich, z.B. ein Haus abzufotografieren und so dessen Maße zu bestimmen, sowie die Größe und Position jedes einzelnen Fensters. Auch bei der Vermessung von Industrieanlagen, Wäldern, Straßen oder gar ganzen Städten (mittels Mobile-Mapping, Drohnenflug oder Sattelt) ist die Photogrammetrie mittlerweile gängige Praxis.

Da jede Kamera jedoch produktionsbedingt diversen Abbildungsfehlern unterliegt, setzt die exakte photogrammetrische Vermessung eine präzise Kamera-Kalibrierung voraus. Wird das Foto einer nicht-kalibrierten Kamera verwendet, verfälschen diese Abbildungsfehler das abgebildete Objekt und geben so die Maße falsch wieder. Durch neue Algorithmen sind Kameras zwar in der Lage, sich selbst zu kalibrieren; hierfür ist jedoch die Aufnahme von vielen Einzelbildern unter bestimmten Voraussetzungen nötig. Es gibt auch die Möglichkeit, die Kamera bereits im Vorfeld zu kalibrieren und somit ab dem ersten Foto geometrisch korrekte Bilder aufzunehmen. Hierfür können sogenannte Passpunktfelder (Abbildung a) verwendet werden. Diese Felder bestehen aus einer Vielzahl einzelner Passpunkte (Abbildung b), die mit der zu kalibrierenden Kamera abfotografiert werden. Durch die Abbildungsfehler der Kamera werden die Positionen der einzelnen Passpunkte auf dem Foto leicht verfälscht dargestellt. Anschließend muss die tatsächliche Position der Passpunkte in die Kalibriersoftware eingegeben werden. Die Diskrepanz zwischen Aufnahme und tatsächlicher Position der Passpunkte erlaubt den Rückschluss auf die Abbildungsfehler der Kamera, die anschließend durch geeignete mathematische Algorithmen korrigiert werden können. Somit resultiert durch die Anwendung der Korrekturparameter auf die Aufnahme eine fehlerfreie Abbildung.

Um die tatsächliche Position von Passpunkten in einem übergeordneten Koordinatensystem ermitteln zu können, war bislang eine aufwändige Vermessung mit Tachymetern notwendig. Für die Vermessung eines Passpunktfeldes musste von mindestens zwei Standpunkten aus unter Zuhilfenahme einer Basislatte das Kreuz im Inneren eines jeden einzelnen Passpunktes mehrere Male manuell angezielt und so die Koordinate bestimmt werden. Für die Vermessung eines Passpunktfeldes an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS), bestehend aus insgesamt 91 Passpunkten, benötigten zwei Mitarbeiter sechs Stunden. Das Verfahren ist langwierig und daher teuer, anfällig für Fehler, aufwändig in der Auswertung und unterliegt zudem einem Medienbruch.

Bei dem an der FHWS neu entwickeltem Verfahren werden diese Passpunkte mittels Laserscanning digitalisiert: dafür wird zuerst ein sogenannter Nahbereichszeilenscanner eingesetzt, um von dem gesamten Passpunktfeld einen hochauflösenden und maßhaltigen Digitalabdruck anzufertigen (Abbildung c). Hierbei wird ein durch das Instrument auftretendes Messartefakt ausgenutzt, das dem Scanner unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen erlaubt, eine dreidimensionale Punktwolke eines zweidimensionalen Passpunktes anzufertigen. Die Koordinaten der einzelnen Passpunkte können anschließend einfach aus der 3D-Punktwolke extrahiert werden und geben die tatsächliche Position der Passpunkte wieder. Für die Vermessung desselben Passpunktfeldes benötigte ein Mitarbeiter lediglich 15 Minuten. Die Methode ist zudem deutlich präziser, weist eine hohe Überbestimmung auf (Abbildung d) und ermöglicht durch die Überführung in ein digitales 3D-Modell neue Möglichkeiten bei der Visualisierung und Datenauswertung.

Mit dem neuen Verfahren wird die Koordinate des Passpunktes nicht mehr indirekt über das Kreuz vermessen, sondern aus dem Passpunkt selbst extrahiert. Dadurch sind neue Arten von Passpunktfeldern möglich, die nicht mehr kreisförmig sein müssen; hierzu gehören z.B. asymmetrische Passpunkte, QR-Codes, Texte oder sogar dreidimensionale Passpunktfelder aus Kugeln. Hierdurch könnten in Zukunft deutlich genauere Kameras für die Photogrammetrie zu wesentlich günstigeren Preisen entwickelt werden. Weiterhin ist durch die Verwendung identischer Kalibrierfeatures, nämlich des Passpunkts selbst, eine genauere Kalibrierung von Laserscannern über die Photogrammetrie möglich. Das Verfahren wäre somit auch für eine methodenübergreifende hochpräzise Vermessung von Objekten geeignet.

Zusätzliche Informationen:


Die hier gezeigte digitale dreidimensionale Abbildung des Passpunktfeldes kann als 3D-Punktwolke unter folgendem Link betrachtet werden (browsergestützt durch Potree): Link Nähere Informationen zu dem Verfahren sind im 19. Tagungsband der Oldenburger 3D-Tage sowie in der aktuellen Ausgabe des PFG (Journal of Photogrammetry, Remote Sensing and Geoinformation Science) der DPGF (Deutsche Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformationen e.V.) zu finden.

Zum Hintergrund:


Das Industrieforschungsprojekt edian wurde mit über einer halben Million Euro vom BMBF gefördert (FHprofUnt Fördernummer: 03FH021PX5). Neben der FHWS waren die gemeinnützige Schweizer Stiftung EiiF (European Industrial Insulation Foundation), die Firmen KAEFER, Hertel B.V., VIB (Niederländische Vereinigung der thermischen Isolierunternehmen), G+H Gruppe, Knauf, Arnold Group, GWK Kuhlmann, Bilfinger, Dr. Clauß GmbH und Topa GmbH an dem Projekt beteiligt. Das Projekt endete im April 2019. Ein Anschlussprojekt konnte mit Hilfe des BMWi gefunden werden (ZIM Fördernummer: ZF4662502JA9). Projektverantwortlich sind Dr. rer. nat. Sebastian Fiedler sowie Professor Dr.-Ing. Stefan Knoblach. Das neue Verfahren wurde in Zusammenarbeit mit Professor Dr.-Ing. Ansgar Brunn (Professur für Photogrammetrie und Geoinformatik), Dipl.-Ing. (FH) Helmut Werthmann (Labor für Laserscanning) sowie Professor Dr.-Ing. Winfried Wilke und Dipl.-Ing. (FH) Sabina Roman (Fakultät Maschinenbau) entwickelt.