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Keine one-and-only-Lösung bei Lieferkonzepten für Megacities: FHWS forscht an zahlreichen Ansätzen

Individuelle Lösungen sind gefragt, um in Megastädten Menschen und Unternehmen zu versorgen

Die Paket-Anlieferung am selben Tag oder sogar in der nächsten Stunde innerhalb einer Megacity mit extremer Verkehrs- und Siedlungsdichte ist eine enorme Herausforderung – aber die passende Logistik kann es möglich machen. Das Institut für Angewandte Logistik (IAL) an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt arbeitet unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt an der Entwicklung von Lieferkonzepten für Megacities am konkreten Beispiel von Bogotá, Kolumbien, im Rahmen einer Forschungskooperation mit der Universidad Externado de Colombia.

Das IAL hat eine Best-Practice-Datenbank für die Logistik von Megacities entwickelt, dabei Beispiele aus Asien, Europa und Afrika systematisch erfasst und bewertet, während die kolumbianische Universität die Bereiche Süd- und Nordamerika übernommen hat. Mit der deutsch-südamerikanischen Kooperation ist ein Expertise-Sharing möglich. Das Würzburger Knowhow fußt dabei auf der Bewertung der Maßnahmen und Konzepte aufgrund der zehnjährigen Erfahrungen im Bereich Stadtlogistik.

Ganzheitliche Logistik-Systeme

Die südamerikanische Stadt Bogotá zählt aktuell 7,2 Millionen Einwohner*innen. Die Menschen leben in der Metropole, weil es dort Arbeit gibt; es kommt es zu einer hohen Zuwanderung und steigenden Geburtenraten. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung konzentriert sich in den größten Ballungszentren. Zeit also, Lösungen zu finden mit einer „intelligent urbanization“, um den kontinuierlich wachsenden Einwohner*innenzahlen und dem immer dichter werdenden Verkehrsfluss Herr zu werden - und die Bevölkerung sowie die Unternehmen trotzdem optimal zu versorgen. Die derzeitigen Lieferkonzepte kommen in Bogotá wie auch in europäischen Metropolen wie Berlin mittlerweile oft an ihre Grenzen – Straßen sind überfüllt, Haltemöglichkeiten für die Pakettransporter fehlen, Warensendungen kommen verspätet an, die Infrastruktur ist überlastet, und die CO2-Werte steigen dabei dramatisch bei hohem Verkehrsaufkommen.

Die beiden Wissenschaftler, Prof. Christian Johannes Bruszies von der Universidad Externado de Colombia und Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt vom Institut für angewandte Logistik, entwickeln in ihrem Projekt Möglichkeiten eines ganzheitlichen Logistiksystems für die gesamte Stadt unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Gegebenheiten in den Stadtteilen der Megacity.

Ansatzpunkt könnte in Zukunft beispielsweise eine sinnvolle Zusammenführung der Sendungen außerhalb der Städte sein, bei der Produkte wettbewerbsübergreifend an Lieferorte transportiert werden. Ebenso denkbar: die optimierte Auslastung aller Verkehrsmittel über sogenannte Knotenpunkte ("urban consolidation centers") innerhalb der Stadtquartiere mit einem gemeinsamen Lieferservice.

Zu Zeiten der Pandemie spielt die Digitalisierung und der E-Commerce-Handel eine immer größere Rolle. Für die Innenstadtlogistik auch in Metropolen ist dann vor allem Geschwindigkeit gefragt bis hin zu same-day- oder sogar next-hour-delivery-Services. Die Umsetzbarkeit ist aber durch die Verkehrsbelastung sehr schwer möglich.

Vielfältige Lösungsansätze der Logistik

Eine zukünftige, effektive Logistik für Megacities kann nicht nur auf eine Lösung setzen. Sie sollte vielmehr die Unterschiedlichkeiten in den Stadtteilen aufgreifen und individuelle Logistik-Lösungen nutzen. Denkbar, so Prof. Dr. Müller-Steinfahrt, sind künftig u.a. folgende Szenarien:

  • Der Kund*innen- bzw. Firmenservice kann verbessert und der Datenverkehr reduziert werden, wenn bei Abwesenheit der Paketempfänger*innen die Lieferoptionen vorab individuell abgestimmt werden.
  • Unternehmen könnten Logistikzentren, kleinere Minidepots, LKWs und Flotten gemeinsam nutzen, um diese auszulasten, den innerstädtischen Verkehr zu entlasten und den CO2-Ausstoß zu verringern.
  • Eine weitere Auslastungsmöglichkeit besteht darin, über Nachtlieferungen die Anzahl der Lieferfahrzeuge zu verringern.
  • Neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz können bei der Analyse, Vorhersage und Optimierung von Verkehrsströmen genutzt werden.
  • Eine kombinierte Lieferfahrzeug-Flotte u.a. mit Liefertaxis, Lasten-Fahrrädern und Elektro-Fahrzeugen kann weiterentwickelt und planvoll eingesetzt werden.

Die individuelle Ausgestaltung für Megacities ist vor allem auch von den finanziellen Möglichkeiten der Paketdienstunternehmen, Kommunen, Händlern und Empfängern abhängig. „Technisch innovative Ansätze mögen in Singapur funktionieren, sind aber in südamerikanischen Megacities wie in Bogota kaum denkbar. Vorhandene Infrastruktur gemeinsam sinnvoll nutzen, Bürger*innen in den Auslieferservice einzubinden, Abholstationen, Motorräder oder einfache Fahrräder mit Gepäckträger sind dann die oft realistisch umsetzbaren Optionen in den meisten Stadtteilen“, so Prof. Dr. Müller-Steinfahrt. Best Practice-Beispiele von Metropolen können für die Megacities Anregungen geben, können aber oft nur mit Anpassungen erfolgreich sein. „Selbst die Praktiken in China, Indien, USA oder Afrika konnten für Bogotá nur bedingt weiterhelfen“, kommentiert Müller-Steinfahrt, der mit einem Projektteam systematisch erfolgversprechende Maßnahmen analysiert hat.

Megacities

Sogenannte Megacities sind Städte bzw. megaurbane Räume mit mindestens zehn Millionen Menschen. „Ballungsräume" mit mehr als fünfzig Millionen Menschen sind bereits in wenigen Jahrzehnten denkbar. Wenn man die administrativen Stadtgrenzen heranzieht, ist die chinesische Stadt Chongquin mit aktuell über dreißig Millionen Bewohner*innen die größte Stadt der Welt; Tokio-Yokohama zählt 38 Millionen Einwohner*innen. Deutschlands größte Metropole ist Berlin mit 3,7 Millionen. Derzeit gibt es weltweit 33 Megastädte, bis 2035 werden es voraussichtlich 48 sein.

Kontakt:

Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Institut für angewandte Logistik

Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt

Münzstraße 19

97070 Würzburg

0931 3511-6350

ial[at]fhws.de