Im Vogelflug die Festung erkunden
Einmal die Festung Marienberg und ihre Bastionen aus der Luft betrachten, einen Blick in das oberste Stockwerk des Bergfrieds werfen oder das verschwundene Fallgitter am Neutor in Aktion sehen. All das ist ab sofort mit dem digitalen Festungsexplorer der THWS-Absolventen Michael Buchholz und Tobias Koch möglich. In ihrer Bachelorarbeit im Studiengang Geovisualisierung an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) haben die beiden eine interaktive Webanwendung entwickelt, mit der man das Wahrzeichen Würzburgs zu Hause am PC oder direkt vor Ort per Smartphone erkunden kann.
„Sicherlich kann man sich Wissenswertes rund um die Festung auch aus Büchern zusammenklauben“, gibt THWS-Dozent Stefan Sauer zu. Weil die Menschen sich aber heute vor allem per Web informieren und es auf der Festung „so viele schöne Dinge zu entdecken“ gibt, hat der Geovisualisierer seinen Studierenden die Entwicklung eines digitalen Festungsexplorers vorgeschlagen. Von Anfang an mit im Boot war die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. „Da aufgrund der anstehenden Sanierungsarbeiten und Umbauten Teile der Festung über längere Zeit nicht zugänglich sein werden, bietet die Webanwendung eine optimale Ergänzung zum Besuch der Festung“, sagen Dr. Susanne Hoppe und Dr. Roberta Guzzetti von der Bayerischen Schlösserverwaltung.
Ausgangspunkt für die interaktive Anwendung waren die frei nutzbaren Gelände- und Gebäudemodelle aus dem Bayernatlas des „Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung“. Doch die umfangreichen Daten bargen auch erste Hürden: So mussten die im Modell senkrecht stehenden Bastionen korrigiert und schräg gestellt werden. Außerdem galt es einen Kompromiss zwischen großen Datenmengen und schnellen Ladezeiten zu finden. In den nächsten Schritten modellierten die beiden Geovisualisierer fehlende Gebäudeteile nach, ergänzten Details, Fakten und Bilder der gewünschten „Points of Interest“ und programmierten die Anwendung in HTML, CSS und JavaScript.
Der fertigen Anwendung sieht man die Schwierigkeiten keineswegs an. Am Anfang steht ein plastischer Gesamteindruck des Festungsbergs. Das farblich schlicht gehaltene virtuelle Modell kann nach Belieben intuitiv mit der Maus oder zwei Fingern gedreht und gewendet, ein- und ausgezoomt und sogar aus der Vogelperspektive überflogen werden. Beim Überfahren der Gebäude erscheinen die Gebäudenamen; ausgewählte Orte wie das Alte Zeughaus, Fürstenbau und Fürstengarten, Kiliansturm, Marienkirche, Maschikuli-Turm, Pferdeschwemme, Randersackerer Turm und Scherenbergtor können angeklickt werden und sind mit Informationen in Bild- und Textform unterfüttert. Hinter Brunnenhaus, Bergfried und Neutor verbergen sich Besonderheiten mit Aha-Effekt: Der Bergfried, von dem in der Regel nur das unterste Geschoss zugänglich ist, kann im Querschnitt aufgeklappt werden, im Brunnenhaus geht es per Geländeschnitt bis auf die Grundwasser-Sohle und beim Neutor gibt es im Längsschnitt animierte Wippbrücken und Fallgatter. Ein zusätzliches Feature ist die Darstellung der bauzeitlichen Reihenfolge in Signalfarben. „So bekommt man ein Gefühl dafür, wie die Festung nach und nach gewachsen ist“, erläutert Tobias Koch.
Rund 800 Arbeitsstunden stecken nach Auskunft der beiden Studenten in der Anwendung. Bei der Beschäftigung mit dem Würzburger Wahrzeichen haben die beiden zudem so manch Neues erfahren: Zum Beispiel, dass das Neutor Brutstätte von Fledermäusen ist oder Wippbrücken beim Festungsbau weitaus häufiger genutzt wurden als die bekannteren Zugbrücken. Obwohl Tobias Koch und Michael Buchholz am liebsten noch mehr Gebäudeteile wie den Maschikuli-Turm oder die Kasematten ausgearbeitet hätten, war für Dekanin Prof. Dr.-Ing. Daniela Wenzel und Stefan Sauer, die die Arbeit betreut und geprüft haben, sofort klar, „dass die Anwendung die Note 1,0 verdient. Der Festungsexplorer lässt keinerlei Wünsche offen, ist sofort einsatzbereit und bewegt sich technisch auf hohem Niveau“, loben beide. Auch die Bayerische Schlösserverwaltung ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Der Festungsexplorer ist unter https://geovisualisierung.com/microsite/festung/ verfügbar.
(Anja Legge)
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