FHWS und Mainfranken Theater Würzburg: Neues Theater 3.0 als eine Kombination von Kunst und Technologie
Mit den Mitteln der Kunst und der Technologie in Zeiten der Pandemie arbeiten: Es geht darum, eine Erzählung zu präsentieren, die mehr werden soll als nur eine Watch-Party, bei der Freunde und Familie eine Darbietung synchron am Monitor verfolgen. Das Mainfranken Theater Würzburg lud vom 14. bis 16. Mai mit einem Filmprojekt zur szenisch-musikalischen Reise der Kurzoper „Der arme Matrose" von Darius Milhaud als Video-on-demand ein. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Theater 3.0“ sorgte die Forschungsgruppe der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt parallel für einen digitalen Premierenabend. Dies wurde mit modernsten Technologien und neuartigen Telepräsenz-Medien erreicht. Mittels einer 360° Kamera konnten die Zuschauenden ihre eigene Perspektive wählen und über einen Double Robot wurde der Regisseur Sugao live aus Hongkong zugeschaltet. Das Konzept kam an: mit 1.900 Videoaufrufen der filmischen Oper aus insgesamt neun Ländern weltweit sowie über zweihundert Beteiligten an den Vor- und Nachgesprächen mit Akteurinnen und Akteuren aus Theater und Hochschule.
Kunst „erlebbar“ machen trotz geschlossenem Vorhang
Wie entstand die Idee, Theater und Technologie zusammenzuführen? Prof. Dr. Nicholas Müller, Professor für Sozioinformatik und gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung und Leiter des Instituts Design und Informationssysteme, sowie Prof. Dr. Michael Müßig, Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik an der FHWS, erläutern das Konzept: Man könne Handlung durch Technologie „erlebbar“ machen mittels Filmaufnahmen. Zur Vertiefung wurde im fachwissenschaftlichen Wahlpflichtmodul (FWPM) „Medienwandel, Telepräsenz und Kunst“ die Verwendung neuer Medien und Technologie in einer Aufführung analysiert und konzipiert. „Wir untersuchen dort beispielsweise, wie Augmented Reality in einer Aufführung verwendet werden kann“, so Müller. Der Student Peter Silbermann, der die Theaterpremiere mitgeplant und durchgeführt hat, wird zu diesem Aspekt seine Masterarbeit erstellen.
Die Professoren konnten ihre bisher schon gewonnenen Erfahrungen aus dem Wintersemester einbringen, die sie im Kurs „supported distance learning“ im kleineren Kreis mit Studierenden der rumänischen Universität in Sibiu z.B. mit 360°-Kameras erprobt hatten. Die Studierenden konnten am Monitor bzw. über Smartphone die Kameraperspektive selbst auswählen sowie steuern und zoomen. Auch die Zuschaltung von Personen über Double Robots hatten sie getestet: „Es war faszinierend, wie schnell Menschen den Roboter vergessen und ganz gewöhnliche zwischenmenschliche Verhaltensweisen zeigen“, resümiert Prof. Dr. Müller. „Mit dem Double-Roboter kann immer dann ein Gefühl von `beingthere` erzeugt werden, wenn Distanzen überbrückt werden müssen.“
Die Idee für die begleitende Veranstaltung wurde erst 14 Tage vorher entwickelt. Dabei wurde auch beschlossen, den Regisseur aus Hongkong zur Premiere in Würzburg dazu zuschalten. Hierzu konnte auf bereits gewonnene Erfahrungen zurückgegriffen werden: Einen Vortrag zur Mensch-Roboter-Interaktion auf dem „1st International Roboticist Forum“ in Schweinfurt zu halten trotz Aufenthalt an einem anderen Ort – kein Problem dank digitaler Technologie. Müller weiter: „Wir planen, diese Techniken für hybride Lehrveranstaltungen einzusetzen, um beispielsweise externe Vortragende in den Seminarraum zu holen oder das Seminar live z.B. zu einem externen Projekt zu bringen.“ Prof. Dr. Müßig konnte auf diese Weise eine Projektarbeit mit Studierenden aus dem kanadischen Toronto realisieren: „Hier wurde sehr schnell deutlich, dass der Double Robot für kollaboratives Arbeiten in internationalen Teams sehr gut geeignet ist.“
Was fehlt, was gelingt, welche Perspektiven gibt es?
Auf der Bühne wie in Lehrveranstaltungen bieten neue Technologien ganz neue Möglichkeiten. Im Gespräch im Anschluss an die Premiere wurde diskutiert, welche Optionen die Digitalisierung bieten kann. Zwar gibt es weder Applaus noch standing ovations für die Musik- und Theater-Darbietenden, sie betreten keine Bühne, der Theatergeruch fehlt ebenso wie das direkt anwesende Publikum. Doch die Handlungs- und Bewusstseinsebene bestehen parallel auf der Bühne wie im Film – inklusive Anspannung und Lampenfieber. Live-Formate, so waren sich die Beteiligten aus Theater und Hochschule einig, werden nicht verschwinden, die Möglichkeiten des Digitalen seien noch nicht ausgereizt. Zudem habe man die Möglichkeit, mit neuen Medien eine weitere Klientel zu erreichen und sie über einfache Zugänge am Theater teilhaben zu lassen.
Kontakt:
Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik
Prof. Dr. Nicholas Müller, Prof. Dr. Michael Müßig
Sanderheinrichsleitenweg 20
97074 Würzburg
0931-3511-8186 / 8840