FHWS: Malte Klemmt promoviert zur Autonomie von Bewohnenden in stationären Pflegeeinrichtungen
Autonom sein bis zuletzt – diesen Wunsch hegen fast alle Menschen. Auch in der letzten Lebensphase soll die Würde der Menschen, welche mit Selbstbestimmung und Selbstständigkeit assoziiert ist, gewahrt bleiben. Der Faktor Zeit spielt häufig gegen die Autonomie von Bewohnerinnen und Bewohnern stationärer Pflegeeinrichtungen: Während viele ihrer Handlungen immer mehr Zeit und Hilfe in Anspruch nehmen, sind die Tätigkeiten des pflegerischen und medizinischen Personals in stationären Pflegeeinrichtungen eng und genau getaktet. Einer von mehreren Konfliktpunkten, die zu einer Gefährdung der Autonomie von hochbetagten, oftmals (mehrfach) erkrankten und/oder dementen Menschen führen kann. Malte Klemmt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Institut für Angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, promoviert zum Thema „Die Autonomie von Bewohnenden stationärer Pflegeeinrichtungen - Fokus auf die selbstbestimmte medizinisch-pflegerische Vorausplanung“. Betreut von Prof. Dr. Andrea Teti (Universität Vechta/Institut für Gerontologie) und Prof. Dr. Silke Neuderth (FHWS), sieht der Doktorand in Konzepten des sog. Advance Care Planning (ACP) ein Instrument der Autonomiewahrung.
Autonomie von Menschen im medizinisch-pflegerischen Versorgungssystem beinhaltet
- das Recht auf Einwilligung und die Ablehnung von Behandlungsmaßnahmen
- die Informiertheit
- die Festlegung des Eigenwohles
- die Wahl von Alternativen sowie
- eine möglichst geringe Einschränkung des Handlungsspielraumes durch Institutionen.
Falls Menschen nicht mehr in der Lage sein sollten in Behandlungsmaßnahmen einzuwilligen, können z.B. mittels Vorsorgedokumenten wie Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten der Wille der Betroffenen und somit ihre Selbstbestimmung gewahrt werden. Das Promotionsvorhaben setzt an drei Punkten an:
- Welche Aspekte können die Autonomie von Bewohnenden gefährden oder verletzen?
- Welche Wünsche und Bedürfnisse haben Bewohnende stationärer Einrichtungen und deren Angehörige in Bezug auf die medizinisch-pflegerische Vorausplanung der Bewohnenden?
- Welchen Willen und welche Wünsche haben Bewohnende in Vorsorgedokumenten dokumentiert?
Basierend auf Literaturrecherchen und empirischen Untersuchungen (Interviews mit Bewohnenden und deren Angehörigen, Analyse von Vorsorgedokumenten) zeigte sich die Wichtigkeit einer individuellen Vorausplanung, die die Lebensumstände der Bewohnenden sowie Einrichtungsbegebenheiten mitdenkt. In einer Befragung in sieben Einrichtungen wurde deutlich, dass Bewohnende die Initiierung und Durchführung der Vorausplanung nur unter bestimmten Prämissen bei den Pflegekräften sehen.
Die in Patientenverfügungen dokumentierten, individuellen medizinischen Behandlungswünsche gestalten sich sehr unterschiedlich, wobei Klemmt festgestellte, dass lebenserhaltende bzw. lebensverlängernde Maßnahmen mehrheitlich an bestimmte Behandlungssituationen geknüpft sind und häufig eine langfristig andauernde Abhängigkeit von intensivmedizinischen Maßnahmen abgelehnt wird. Dennoch seien Patientenverfügungen im Idealfall nicht einfach nur wie eine Liste zum Abhaken – und es gehe neben medizinischen vielfach auch um pflegerische Maßnahmen, die schriftlich verfügt werden. Der Doktorand plädiert dafür, zur Wahrung der Autonomie nach der Phase des Einzugs in stationäre Einrichtungen ein ausführliches Gespräch mit den Bewohnenden zu suchen und Wünsche und Bedürfnisse zu besprechen und zu dokumentieren. Diese könnten zu späteren Zeitpunkten, wenn sich z.B. der Krankheits- oder Sozialstatus des Bewohnenden geändert haben sollte, wiederholt und ggf. angepasst werden.
Elementar seien in der Kommunikation mit Bewohnenden neben Psyche und Physis u.a. auch Erläuterungen über Pflege- und Behandlungsmöglichkeiten, das Eingehen auf den jeweiligen kulturellen und sozialen Hintergrund der Bewohnenden ebenso wie auf mögliche Sprachbarrieren des Pflegepersonals und der alten Menschen. Es gebe eine unendliche Vielzahl an kleinen wie auch umfangreichen Momenten, Phasen und Schritten, in denen die Autonomie gewahrt werden müsse. Er setze darauf, mit den Resultaten seiner wissenschaftlichen Abhandlung dazu beitragen zu können, neuralgische Punkte möglicher Autonomiegefährdungen herauszufinden. Anschließend könnten Vorausplanungsprozesse als Mittel der Autonomiewahrung bzw. -förderung individuell über einen gut strukturierten Gesprächsleitfaden umgesetzt werden.
Weitere Informationen zum Thema unter Autonomie im Gesundheitswesen
Kontakt: Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Institut für Angewandte Sozialwissenschaften
Malte Klemmt
Tiepolostr. 6
97070 Würzburg