FHWS: Digitaler Wandel in Industrie und Hochschule mit digitalem Demonstrator statt Folien
Der digitale Wandel in Industrie und Hochschulen - mit dieser Herausforderung befasst sich nicht nur die Wirtschaft, sondern vor allem auch die Hochschulen als Ausbildungsstätten für die zukünftigen Know-How-Trägerinnen und -Träger. War es vor wenigen Jahren noch üblich, den Lernstoff in Form von Folienpräsentationen an die Studierenden zu vermitteln, fordert die immer größer werdende Komplexität der digitalen Welt neue Ansätze in der Lehre. Ein Fachbereich alleine stößt hierbei schnell an seine Grenzen. Um diesem Umstand gerecht zu werden, hat sich die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt mit ihrem Leitmotiv „vernetzt“ deutlich positioniert.
Ein gelungenes Beispiel für die Umsetzung dieses Leitmotives, so Prof. Dr. Alexander Dobhan, sei die Entwicklung eines durchgängig digitalisierten Demonstrators, um das omnipräsente Thema „Digitalisierung“ für die Lehre und Schulung von Firmenressourcen greif- und erlebbar zu machen.
Zum Konzept des digitalen Demonstrators
Der digitale Demonstrator fungiert als Vorführobjekt und ist eine einfache Maschine mit einer realistischen Steuerung. Diese ermöglicht es, im Vorlesungssaal oder Labor anschaulich realistische, digitale Sachverhalte zu demonstrieren. Ein Beispiel: Ein Auftrag wird im ERP-System gestartet. Live können dann die Nachrichtenübermittlung und die Programme gezeigt werden, wie die Maschine und der Roboter losfahren. Studierende haben die Möglichkeit, diese Schritte selbst auszuprobieren. Die Vorteile des Einsatzes des digitalen Demonstrators gegenüber z.B. einem Praktikum:
- • Einsatz in der FHWS realisierbar
- • Schaffung einer „Laborumgebung“: keine realen Folgen für Unternehmen
- • Flexibilität und Erweiterbarkeit bei im Verhältnis niedrigen Kosten
- • Mobilität (Verwendungsmöglichkeit in verschiedenen Räumen)
Hierbei arbeitet das ERP-Labor (Enterprise-Ressource-Planing - Geschäftsressourcenplanung) der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen unter der Leitung von Prof. Dr. Dobhan und das Labor für Prozessdatenverarbeitung und Netzwerktechnik der Fakultät Elektrotechnik unter der Leitung von Prof. Dr. Ludwig Eckert sowie die Abteilung für Kooperationen mit Bildungseinrichtungen der Firma ABB B&R Industrie-Elektronik GmbH, das Education Network, interdisziplinär vernetzt zusammen. Projektleiter und Initiator der Kooperation ist Lars Eberhardt, der den Demonstrator im Rahmen seiner Forschungstätigkeit im Drittmittelprojekt OberA (Optimierung von Prozessen und Werkzeugmaschinen durch Bereitstellung, Analyse und Soll- Ist-Vergleich von Produktionsdaten) des Forschungs- und Entwicklungsprogramms „Informations- und Kommunikationstechnik“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Energie und Technologie nutzt. Studentische Unterstützung erfährt das Team hierbei durch Industrieprojekte mit dem Studiengang Mechatronik. Diese fruchtbare Verbindung ist im Begriff, einen durchgängigen Demonstrator aufzubauen. Hierzu wurde eine Tisch-CNC-Fräse (Computerized Numerical Control) mit einer industriellen Steuerung der Firma B&R ausgestattet und aktuell mit einem mobilen Cloud-ERP System verbunden. Zur transparenten Aufbereitung der operativen Daten steht ein BI-System (Business Intelligent) zur Verfügung. Der Demonstrator wird von einem mobilen Roboter mit Ladungsträgern versorgt, wodurch ein vollautomatisierter Betrieb ermöglicht wird. Die gesammelten Betriebsdaten der Portalfräse werden zukünftig mit Algorithmen der KI-Technologie (Künstliche Intelligenz) ausgewertet.
„Der Demonstrator verbindet die wichtigsten Themen des Industrie 4.0 Zeitalters in minimal komplexer Ausführung und ermöglicht es den Studierenden, das Gelernte im Praxistest zu erleben. Videos und Vorlesungsunterlagen, die den Aufbau des Demonstrators anschaulich darstellen, zeigen die Wiederverwertbarkeit in der Lehre. Zusammen mit der mobilen Anlage erhoffe ich mir zukünftig ein deutlich tieferes und durchgängigeres Wissen in den Vorlesungen vermitteln zu können“, erklärt Prof. Dobhan. Sein Kollege Prof. Eckert ergänzt: „Wir müssen es schaffen, die enorme Komplexität des Themenfeldes Industrie 4.0 herunter zu brechen und auf die Vielzahl von Services und datentechnischen Schnittstellen zu sensibilisieren. Hierfür gilt es, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen Kompetenzen und Skills im Team zu integrieren.“ Es sei wichtig, den Studierenden die Angst zu nehmen, ihnen bewusst zu machen, wie wichtig die interdisziplinäre Zusammenarbeit für ihren späteren Beruf sei. Das Konzept der Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer werde in Zukunft nicht mehr funktionieren, man müsse lernen, sich zu vernetzen, so Eckert weiter. Dr. Patrick Haberstroh, Head of Education Network der Firma B&R Industrie-Elektronik GmbH, stimmt zu: „Für uns als Industriepartner ist es schön zu sehen, dass das, was wir bei uns selbst und auch bei unseren Kunden sehen, nämlich dass heutige Maschinen und Anlagen hochkomplexe Systeme sind, die eine Zusammenarbeit von vielen verschiedenen Disziplinen erfordern, bereits an der Hochschule in Form von agilen Projekten („Industrieprojekten“) gelehrt wird und von Studierenden so praktisch gelebt werden kann.“ Studierende aus dem Bereich Mechatronik können mitverfolgen, wie ein BI-Use-Case konstruiert und realisiert oder wie ein Schaltschrank verkabelt wird.
Die drei Kooperationspartner betonen, wie wichtig eine motivierte Unterstützung der Mitarbeitenden und Studierenden für den Projekterfolg war. Besonderes Lob, darin sind sich Professoren und Praxispartner einig, gebühre dem Projektleiter Lars Eberhardt, dem Laboringenieur Thomas Bischof (beide FHWS) und dem Applikationsspezialisten Markus Straßer (B&R). Die beteiligten Studierenden erhielten aufgrund der sehr erfolgreichen Leistungen durchgängig Bestnoten. Dobhan: Ein durchweg sehr positives Evaluationsergebnis bestätige den positiven und industrienahmen Charakter dieser Veranstaltung. Gemeinsam freue man sich nun auf den Einsatz des Demonstrators in der Lehre und zur Unterstützung der unterfränkischen Industrie als ein Stück „Digitalisierung zum Anfassen“.