Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften engagiert sich für die Tagungsreihe LAIK – Landnutzung im Klimawandel
Quo vadis Landnutzung? Quo vadis GAP? Dies waren die Leitfragen der zweiten Tagung der Reihe Landnutzung im Klimawandel (LAIK). Nach dem Motto sehen – urteilen – handeln, soll die dreiteilige Tagungsreihe Empfehlungen entwickeln, wie eine multifunktionale Landnutzung in Zeiten des Klimawandels gestaltet werden soll. Die zweite Tagung befasste sich mit den politischen Zielen und möglichen Strategien der Agrarpolitik als elementare Einflussgröße der Landnutzung. Im Moderationsteam wirkte Prof. Dr. Theresia Wintergerst von der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften der THWS mit. Sie führte durch die Podiumsdiskussion.
Politische Rahmenbedingungen für naturbasierte Landwirtschaft
Franz Theo Gottwald eröffnete als Autor, Unternehmensberater und Forscher zur naturbasierten Landwirtschaft die Reihe der Vorträge. Er sprach über die politischen Rahmenbedingungen für diesen Ansatz. Landwirtschaft spiele grundsätzlich eine bedeutende Rolle für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. Die Zusammenhänge werden vermehrt betrachtet im Rahmen des One-Health-Ansatzes. Agrarpolitik solle dieser Verantwortung gerecht werden.
Gottwald fächerte die verschiedenen Politikfelder der Landwirtschaftspolitik auf, zu denen neben den Bodenpolitiken auch die Ernährungs- und Forstpolitik, der Verbraucher- und Gewässerschutz, die Forst- und Infrastrukturpolitik gehören. Gesunde Ernährungslandschaften müssten resilient und vielfältig sein und sich an der Nahversorgung orientieren. Die Tiere in landwirtschaftlicher Haltung sollten in die Landschaft integriert sein. Das erfordere eine Verringerung der Tierhaltung.
In Bezug auf die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union forderte Gottwald öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen von Landwirtinnen und Landwirten. In dieser Hinsicht steuere die „Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union“ (GAP) bisher sehr zaghaft um. Weniger Stickstoffüberschüsse, mehr Ökolandbau und weniger Emissionen in der Tierhaltung wurden bislang in den Zielhorizont aufgenommen.
In Bezug auf die Gestaltung der Landschaft sei es unstrittig, dass es mehrjährige Strukturelemente in der Landschaft brauche und eine geringere Schlaggröße bei der Anzahl der gehaltenen Nutztiere. Landwirte, so Gottwald, müssten lernen, in Landschaften zu denken. Dies erfordere einen „Mental Shift“, eine grundlegende Umorientierung, die von der Politik unterstützt werden müsse. Dabei sollen die politischen Rahmenbedingungen das gemeinschaftliche Handeln der Akteure vor Ort zur Entwicklung einer lokal angepassten biodiversitätsfördernden klimaverträglichen Landnutzung fördern. Diese Gestaltungsspielräume zu ermöglichen sei wichtig, um der Versuchung ökototalitärer Vorgaben zu widerstehen. Die Politik müsse dabei die Nachhaltigkeitsziele entschieden unterstützen, weil die mit ihnen verbundene Langfristorientierung sich gegen kurzfristige Interessen nicht durchsetzen könne. Franz-Theo Gottwald fasst es so zusammen: „Alles, was am langen Ende ist, braucht politische Unterstützung“.
Die Frage nach den sozialen Werkzeugen
Baudirektor Norbert Bäuml vom Bereich Zentrale Aufgaben der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung (BZA) fragte nach den sozialen Werkzeugen, mit denen Menschen befähigt werden können, miteinander zu handeln. Im Vortrag „Flurberauhung statt Flurbereinigung – Quo vadis Flurordnung?“ forderte er, in der Flurordnung von den funktionalen Aufgaben der Landschaft auszugehen. Er benannte dabei drei Probleme:
1. Überschwemmungen aus der Flur
2. Verschlammung von Gewässern
3. Dürren
Dabei revidierte er die zurückliegenden Ziele der Flurordnung. Der alte Kulturauftrag an die Landschaftsordnung habe geheißen „bring das Wasser aus der Landschaft. Wir haben in die Landschaft ein Spülsystem gelegt, in dem mit dem Wasser die Nährstoffe ausgeleitet werden.“ Deshalb sei ein Umsteuern nötig hin zu einer abflussbremsenden, wasserrückhaltenden Flurgestaltung. Maßnahmen, die dazu beitrügen, seien beispielsweise die Höherlegung von Wegen, abgesenkte Pufferstreifen und begrünte Abflussmulden. Auch Bäuml verwies auf das Leitbild der Landwirte und Landwirtinnen, in Landschaften zu denken.
Er fragte nach den sozialen Werkzeugen, um miteinander ins Tun zu kommen und wie die staatliche Verwaltung hierbei unterstützen könne. Planungen und die Definition von Zielen genügten nicht. Es komme vielmehr auf Menschen an, die die Gestaltungsaufgaben in der Landschaft tatsächlich umsetzen wollten. Verwaltung solle die Akteure unterstützen. Der Weg vom Wissen zum tatsächlichen Handeln sei schwierig, Verwaltung habe diesen Weg zu erleichtern. Mit der Ausrichtung auf motivierte Akteure statt auf festgelegte Ziele versuche man, voranzukommen.
Kritischer Blick auf die Landschaft
Der Vortrag von Karl Auerswald, Experte für aquatische Systembiologie von der Technischen Universität München (TUM), knüpfte in seinem kritischen Blick auf die Landschaft und ihre Probleme an den Vorredner an. Bodenerosion durch Starkregen habe deutlich zugenommen, einzelne Regenereignisse würden heftiger. Die beobachtbaren Klimaveränderungen führte Auerswald auf einen landnutzungsbedingten Klimawandel zurück, weniger auf den CO2-induzierten Klimawandel. Dieser sei erst zukünftig zusätzlich zu erwarten.
Am Beispiel des Wasserhaushalts und der Bodenverdichtung verdeutlichte er den landnutzungsbedingten Klimawandel. Allgemein gäbe es falsche Vorstellungen über den Wasserhaushalt, der zumeist vertikal gedacht werde. Nicht berücksichtig werden dabei die horizontalen Wasserflüsse in der Landschaft. In diese wurde aber massiv eingegriffen. Dazu komme die Unterbodenverdichtung durch die schweren Radlasten der Maschinen in der Landbewirtschaftung. Ab fünf Tonnen Radlast, so führte er Untersuchungen an, könne die Unterbodenverdichtung nicht mehr verhindert werden. Dies erschwere das Wurzelwachstum. Durch die Verdichtung kämen die Pflanzen nicht mehr in die Tiefe und trocknen durch ihren Flüssigkeitsbedarf, den sie nicht mehr in der Tiefe stillen können, den Oberboden aus. Auerswald schloss mit der Forderung nach ambitionierteren Zielen beim Landnutzungswandel.
Das Zusammenspiel von Grasland und Grasern
Nachdem Norbert Bäuml und Karl Auerswald den Wasserhaushalt thematisiert hatten, wandte sich Anita Idel der Bedeutung des Grünlands zu. Auch sie kritisierte, dass die ausgeräumte Ackerlandschaft als Gunstlage einer industrialisierten Landwirtschaft verstanden werde. Dabei werde die Bedeutung des Graslands und der Beweidung völlig unterschätzt. Anita Idel erklärte das Zusammenspiel von Grasland und Grasern. Der Biss eines Tiers am Gehölz löse einen Wachstumsstopp aus. Der Biss eines weidenden Tieres ins Gras löst jedoch einen Wachstumsimpuls bei den Gräsern aus. Das Mähen imitiere im gewissen Sinne das Beweiden, könne aber die Anpassung zwischen Grasern und Grasland nicht vollständig ersetzen. Zu diesem Zusammenspiel zwischen Grasland und Grasern gehörten auch genügend dungverarbeitende Käfer, die den Dung der Tiere in den Boden einarbeiten, wodurch wertvoller Boden entstehe.
Auf diesem Hintergrund fordert Anita Idel die Ausweitung von beweideten Lichtwaldsystemen und verwies darauf, dass das Land Baden-Württemberg als einziges Bundesland einen Lichtwaldbeauftragen habe. An Auen und in Hanglagen sollte wieder mehr begrünt und mehr beweidet werden. Der Fleischkonsum von Tieren aus Weidehaltung sei nachhaltig.
Agrarpolitik: „Weg von der Gießkanne“
Vor dem Hintergrund der skizzierten Probleme der Landnutzung – welche europäische Landwirtschaftspolitik wird gebraucht, um den Herausforderungen zu begegnen? Mit der Forderung „Weg von der Gießkanne“ wird in der Agrarpolitik der kommenden Förderperiode der Europäischen Union ab 2028 diskutiert, die Förderung der Landwirtschaft weniger an die Fläche zu binden, als vielmehr an bestimmte Ziele. Was aber genau soll nun gefördert werden? In der anschließenden Podiumsdiskussion, die Prof. Dr. Theresia Wintergerst moderierte, bot sich die Möglichkeit, Politikvorschläge zu vergleichen.
Sönke Beckmann vertrat den Dachverband der Landschaftspflegeverbände (DLV). Der DLV vereint in sich Akteure aus dem Naturschutz, der Landwirtschaft und den Kommunen und arbeitet mit der so entstehenden Reibungsenergie, „zum Wohle des Rebhuhns und des Betriebs“, wie Sönke Beckmann zusammenfasst. Naturschutz solle durch die Brille der Betriebe und der Kommune entwickelt werden. Sönke Beckmann setzt auf die Umsetzung im Verbund. Dazu müsse die Gemeinsame Agrarpolitik in der Europäischen Union Spielräume geben. Die Initiative „Zukunftsbauer“ des Deutschen Bauernverbands verweise darauf, dass auch konventionelle Landwirtinnen und Landwirte dafür gewonnen werden können. Dazu müssten diese Leistungen für die Landschaftspflege allerdings angemessen honoriert werden.
Gerald Wehde vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), ein Spitzenverband all derer, die ökologische erwirtschaftete Lebensmittel erzeugen, verarbeiten und mit ihnen handeln, legte ein Konzept für die zukünftige Förderung vor, in der ökologische Leistungen der Landwirtschaft attraktiv honoriert werden. Dabei werden drei Ambitionsstufen vorgeschlagen. Mit diesem Modell würden die Leistungen der ökologischen Landwirtschaft endlich angemessen honoriert und aber auch den konventionell wirtschaftenden Landwirtinnen und Landwirten Möglichkeiten eröffnet werden, sich für die Erbringung ökologischer Leistungen zu entscheiden und dies auch honoriert zu bekommen.
Isabella Hirsch als stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) in Bayern unterstrich, dass Agrarpolitik die soziale Situation der Bäuerinnen und Bauern in der Landwirtschaft berücksichtigen solle. Kleine Betriebe, in denen Tiere gehalten werden, müssten besonders geschützt werden. Dazu gehöre auch, dass Grünland bessergestellt werden sollte als Ackerland. Landwirtschaft solle regional, kleinstrukturiert und naturschützend sein. Diese Ziele müsse Agrarpolitik befördern.
Die besondere ökologische Bedeutung mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe, die auch Tiere halten, zeigten auch die Untersuchungen zu ökologischen Folgewirkungen verschiedener Formen von Landwirtschaft. Über diese sprachen Tobias Gaugler von der Technischen Hochschule Nürnberg (THN), der im Bereich nachhaltiges Management von (Agrar-)
Rohstoffen und True Cost Accounting (TCA) forscht, sowie Kurt-Jürgen Hülsbergen (TUM), dessen Forschungen die besondere Klimaverträglichkeit des Ökolandbaus aufwiesen.
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