Eine nachhaltige Zukunft: Mit Verbund-Kunststoffen kann sie realisiert werden
Form- oder gestaltbar – dies bedeutet der aus dem Griechischen entlehnte Begriff „Plastik“. Form und Gestalt variabel modellieren zu können, ist Vor- und Nachteil zugleich – Kunststoffe mit ihren vielfältigen Eigenschaften stellen damit ein Problem, aber gleichzeitig auch dessen Lösung dar auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft. Bereits Oberstufen-Schülerinnen und Schüler lernen das Thema Kunststoffe und Elastomere im Rahmen von sogenannten „W-Seminaren" kennen. Diese Seminare sollen fachübergreifende Kompetenzen fördern und einen Beitrag zur Ausbildung der Studierfähigkeit leisten. Studienbotschafterinnen und –botschafter sowie Professorinnen und Professoren besuchen Schulen und bieten theoretische wie experimentelle Versuche an, zeigen Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens und helfen bei inhaltlichen Konzepten von Seminararbeiten.
Im Juni besuchte der Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik der FHWS zwei W-Seminare des Armin-Knab-Gymnasiums in Kitzingen. In seinem Workshop „Kunststofftechnik und Nachhaltigkeit“ präsentierte Prof. Dr. Florian Lotz den aktuellen Stand der Forschung und Entwicklung, schärfte mit seinen Fragen das Bewusstsein des Auditoriums für den korrekten Blickwinkel und stellte sich den kritischen Fragen der Schülerinnen und Schüler zu diesem Thema. Erste Fragen wie: „Was genau bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit? Und wann ist etwas wirklich nachhaltig?“ zeigten im Workshop, dass es sich hierbei um komplexe Zusammenhänge handelt. Für die Umsetzung der nachhaltigen Kunststofftechnik brauche es in Zukunft noch deutlich mehr hervorragend ausgebildete Ingenieure der Kunststoff- und Elastomertechnik, ermutigte Prof. Lotz die Schülerinnen und Schüler, damit sie als Fachleute von morgen bewusst eine nachhaltige Zukunft gestalten können.
Man kann Kunststoffe nicht nur in einer unendlichen Vielfalt entwerfen oder in 3D drucken, der Werkstoff unterliegt auch Alterungsprozessen. Durch UV-Licht, Hitze, Sauerstoff oder Feuchtigkeit beispielsweise wird der Kunststoff brüchig, bildet Risse, quillt auf. Altes Plastik-Kinderspielzeug, ein brüchiger Kunststoff-Wäschekorb, der den Sommer über draußen stand, alternde, schmierige Fahrrad-Griffe oder splitternde Verteilersteckdosen bei den Großeltern – die Beispiele für in die Jahre gekommene Kunststoffe sind breitgefächert. Ihnen gemeinsam sind die sogenannten chemischen, physikalischen und/oder biologischen Degradationen (Änderungen, Abbau).
Mit dieser Thematik befassen sich nicht nur die Universität Cambridge und Vertretungen von Leibniz-Forschungsmuseen in Rahmen einer internationalen Konferenz "Gefährdet in Museen - Kultur aus Kunststoffen", die sich mit dem drohenden Zerfall von Kunststoffobjekten in musealen Sammlungen beschäftigt hat. Auch im Studiengang Kunststoff- und Elastomertechnik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt beschäftigen sich Studierende sowie Professorinnen und Professoren mit diesen Prozessen. Die Kunststoffe und Elastomere werden hier sowohl selbst synthetisiert, als auch genau untersucht. Das Verständnis des Alterungsprozesses ist fester Bestandteil von Vorlesungen, die Untersuchung der alterungsbedingten Eigenschaftsveränderungen erfolgt in den Laboratorien.
Im FHWS-Labor für Werkstoff- und Schadensanalytik prüfen und testen (angehende) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Qualität von hochwertigen Kunststoffbauteilen hängt mit den charakteristischen Eigenschaften der sogenannten polymeren Werkstoffe zusammen. Die exakte Fachkenntnis der physikalischen und chemischen Beschaffenheit ist wichtig, um eine optimale Funktion und Haltbarkeit zu erreichen bzw. zu erhalten.
Der Alterungsprozess kann z.B. thermischer, mechanischer und oxidativer Natur sein sowie auch durch Strahlung (meist UV) ausgelöst werden, so Prof. Dr. Florian Lotz, Professor für Chemie und Werkstoffkunde an der Fakultät Kunststofftechnik und Vermessung. Typischerweise werden hierdurch die Polymerketten geschädigt; es bilden sich Fragmente, sogenannte Polymer-Radikale, die mit dem Sauerstoff der Luft relativ schnell weiterreagieren. Die Problematik der Alterung liegt darin, dass der chemische Radikal-Mechanismus eine langsam fortschreitende Kettenreaktion ist. Über die Monate und Jahre werden die Polymerketten der Kunststoffe daher immer kürzer, außerdem bindet immer mehr Sauerstoff daran. Zusätzlich können Kunststoffe mit hohem Weichmachergehalt (wie PVC) diesen nach und nach verlieren und schon hierdurch verspröden. All diese Veränderungen führen zu veränderten Eigenschaften der Kunststoffe; je nach Kunststoff- oder Elastomer-Type können Versprödungen oder auch Erweichungen des Materials durch Alterung hervorgerufen werden.
Kunststoffe über die klassische Einkaufstüte hinaus
Das Thema Kunststoffe und Recycling geht über die klassische Einkaufstüte deutlich hinaus. Große Teile z.B. von Laptops, Smartphone, Autos, Flugzeugen, Kühlschränken oder auch Windkrafträdern werden aus Kunststoffen hergestellt. Hier kommen Duromere, Elastomere und Thermoplaste zum Einsatz. Die Rotorflügel der Windkrafträder bestehen beispielsweise aus einem Faserverbund aus Duromer-Kunststoff und Glas- oder Kohlenstofffasern. Ohne Kunststoffe wäre diese komplexe, verwundene Rotorblattgeometrie nicht herstellbar. Es ist aber gerade diese spezielle Rotorblattgeometrie, die die Windenergieanlagen so leistungsfähig in der Umwandlung von Windenergie in elektrische Energie macht.
Kontakt: Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Fakultät Kunststofftechnik und Vermessung
Prof. Dr. Florian Lotz
Professor für Chemie und Werkstoffkunde
Röntgenring 8
97070 Würzburg
0931 3511-8355