Analog und digital: Fakultät Gestaltung der FHWS mit hybrider Ausstellung und Livestreams
„Schicht im Schacht“ im „Bergwerk“: Die Fakultät Gestaltung blickt auf ihre diesjährige Ausstellung Bergwerk am 23. und 24. Juli zurück. Diese wurde an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt an zwei Tagen teils in Präsenz, teils digital mit Livestreams angeboten. „Bergwerk“ deshalb, weil zum einen die Fakultät auf einer Würzburger Anhöhe untergebracht ist, zum anderen, weil Studierende in aller Ruhe und Zurückgezogenheit über ein Semester an ihren Projekten arbeiten konnten, um dann mit ihren „Schätzen“ zum Abschluss des Semesters an die Öffentlichkeit zu gehen.
Das Projekt „Nulllabor“ beschäftigt sich mit biologischen Systemen und Verhaltensweisen. Die drei Studenten Jan Scheffel, Johannes Neff und Juan Cruz Caamaño haben unter Leitung von Prof. Christoph Barth ihre Informationen, Fotos und Grafiken als Buch und über eine mobile App mit Augmented Reality-Elementen zusammengestellt (u.a. Film 1, Film 2). Das „Nulllabor“, so das Trio, „ist eine Sammlung von Experimenten, die zum einen verschiedene Prozesse und Verhaltensweisen in der Natur visuell erklären und zum anderen eine neue Basis für künftige Ideen und Anwendungen in Bereichen wie Biodesign schaffen soll.“ In den Kapiteln Form, Prozess und Ökosystem werden die Aspekte Fraktale (komplexe geometrische Figuren), Attraktoren (Ordnungsmuster der Chaostheorie), Metamorphose, Schwarmverhalten, biologische Algorithmen, Evolution, Eusozialität (Form des Sozialverhaltens sozialer Insekten), Xenobots (biologische Mini-Roboter), Signalmuster und Transportnetzwerke aufgenommen.
Im Projekt psychische Resilienz setzten sich die Masterstudentinnen Alicia Denninghoff und Fabienne Issing, Laura Stahl, Michaela Lautenschlager, Tatjana Schmid unter Leitung der Fotografin und Kommunikationsdesignerin Kathrin Königl mit der eigenen Widerstandskraft auseinander. Das Quintett stellte fest: „Durch die Corona-Pandemie haben sich – oft nicht nur temporär – die Lebensumstände vieler Menschen verändert. Während einige Menschen daran verzweifeln, gelingt es anderen, beinahe unbeschadet durch diese Zeit zu kommen.“ Sie fragten sich, was diese Menschen voneinander unterscheide – ihre Resilienz, die Fähigkeit, auf Herausforderungen und Veränderungen mit entsprechenden Anpassungen des eigenen Verhaltens zu reagieren und Stress dadurch besser kompensieren zu können?
Die Studentinnen entwickelten eine Outdoor-Installation, mit der Alltagssituationen räumlich-spielerisch übersetzt werden und die es ermöglichen, sich gegen Stress abzugrenzen: „Durch gezielte Handlungen soll zum Denken angeregt, sowie die eigene Resilienz gefordert und gefördert werden“, so die Masterstudentinnen.
Mit der Echtzeit-Gesellschaft beschäftigten sich zwölf studentische Projekte unter der Leitung des Dekans Prof. Erich Schöls. Die umfassende Digitalisierung habe, so Schöls, das Leben nachhaltig verändert. Der Alltag scheine sich zu beschleunigen und zu verdichten, Menschen hätten sich daran gewöhnt, dass viele Prozesse in Echtzeit stattfinden und somit Planung und Angebot zu einem Wahrnehmungsmoment verschmelzen. Kommuniziert werde immer zeit- sowie ortsunabhängig, Sportlerinnen und Sportler trackten die Körperdaten, Bestellungen werden in Echtzeit mitverfolgt, nahezu überall sei man mit dem Internet verbunden. „Wir sind auf dem Weg in eine Echtzeitgesellschaft mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen.“ Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema erfordere eine kritische Distanz.
Im Rahmen dieses Konzeptes haben Hanna Hoffmann und Teresa Wimbauer mit „Authesia“ einen „Garden of Resilience“ entwickelt. Die Augmented-Reality-App generiert individuelle Skulpturen, die auf Basis authentischer Echtzeit-Körperdaten aufbauen. Die Skulpturen werden von realen Personen an realen Orten erstellt und spiegeln symbolisch die Widerstandsfähigkeit der digitalen Gesellschaft. Spaziergängerinnen und Spaziergänger können durch die Skulpturen anderer am Ort ihrer Entstehung flanieren.
Ebenfalls im Projekt „Echtzeitgesellschaft“ beschäftigte sich Sarah Kiesewetter mit den sozialen Medien und dem darin stattfindenden Hass, den sie als immer größer werdendes Problem sieht. Mit ihrer Arbeit „Metamorphose – overgrowing hate“ übersetzt sie verletzende Aussagen, Shitstorms und Beleidigungen in pflanzenähnliche Objekte aus Zungen und Mündern. Anders als Hass, so Kiesewetter, verursachen diese keinen Schaden.
Um gesellschaftliche Phänomene geht es auch im Visual Storytelling-Projekt „Inside-Outside“ von Prof. Henning Rogge-Pott: In der visuellen, filmischen Erzählung "Pass auf, wann Du lebst" von Karl Gaster, Lucy Feldmann und Paula Helleckes zweifelt der Protagonist Simon an seinen eigenen Wahrnehmungen: Die Grenzen zwischen echt und unecht lösen sich auf, er zweifelt, ob er gerade sein eigenes Leben lebt oder er in eine virtuelle Realität abgetaucht ist, die er sich geschaffen hat.
Um Storytelling ganz anderer Art geht es im Projekt „Marken.Strategie“: Hier erzählt ein Produkt eine kleine Geschichte, die eine potentielle Käuferschaft ansprechen soll. Eine Marke, so Prof. Carl Frech, soll immer erkannt und gleichzeitig stets neu entdeckt werden. Sein Projekt beschäftigt sich mit verschiedenen Produkten und mit Menschen, die angesprochen und im positiven Sinne „verführt“ werden. Es geht dem Professor sowie den am Projekt beteiligten Studierenden neben kommerziellen Perspektiven vor allem um die eigene Position, um den kritischen Blick. Mit „ONEA“ haben die drei Studentinnen Janina Kürschner, Leonie Gürtler und Naomi Göbel die Vermarktung der Alge als Lebensmittel fokussiert und eine Story mit dazugehörigem Vermarktungskonzept entwickelt.
Eine andere Perspektive, weg von aktuellen Ereignissen und Produkten, hin in die Zeitlosigkeit ging die Studentin Antonia Wicht: Im Bereich der Architekturfotografie mit Heiko Lanio fotografierte sie „Lost places“. Diese führten sie zu einem verlassenen Restaurant in Würzburg, das seit 1961 nicht mehr im Betrieb ist und zusehends zerfällt. Mit ihrer Fotoserie stellt die Studentin den Verfall des einst belebten und besuchten Ortes dar. Die bewusste Wahl der Schwarz-Weiß-Fotografie sorgt aus ihrer gestalterischen Perspektive für ein Gefühl der Zeitlosigkeit.
Weitere Informationen, Einblicke in die Projekte und der „Eingang“ in das "Bergwerk"