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Lepra: THWS kartiert Krankheitsfälle in Togo zusammen mit DAHW

19.01.2023 | thws.de, Pressemeldung, FKV
Mithilfe gezielter Kartierung gelingt es, vernachlässigte Tropenkrankheiten weltweit einzudämmen

Bereits zum dritten Mal findet am 30. Januar der jährliche Welttag der vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs) statt. Mit dem Motto „Act now. Act together. Invest in Neglected Tropical Diseases”, rufen die beteiligten Organisationen gemeinsam dazu auf, in die Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten zu investieren. Die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, die sieben dieser NTDs zu ihren Mandatskrankheiten zählt, investiert im Kampf gegen Lepra, Buruli Ulcer oder Frambösie neben der medizinischen Versorgung auch in die Forschung. In ihrem Bestreben, diese Krankheiten weltweit einzudämmen, geht die Organisation innovative Wege: In zwei aktuellen Forschungsprojekten nutzt die DAHW die Expertise des Studienbereichs Geo der THWS und erzielt damit große Erfolge. In den Drittmittelprojekten sind Absolvierende des Bachelorstudiengangs Geovisualisierung und des Masterstudiengangs Geodatentechnologie im Rahmen Ihrer Abschlussarbeiten beteiligt. Die Erstellung der Abschlussarbeiten erfolgt in Kombination mit einem mehrmonatigen Auslandsaufenthalt in den Ländern Pakistan und Togo. Die DAHW Forschungskoordinatorin Dr. Christa Kasang erklärt im Interview, was sich dahinter verbirgt und welche Vorteile die Kartierung mit sich bringt.

Wie kam die DAHW auf die Idee der Kartierungs-Projekte?

Dr. Kasang: Seit Beginn der 1980er Jahre ist Lepra heilbar. Sie ist eine der vernachlässigten Tropenkrankheiten, deren Bekämpfung sich die DAHW auf die Fahne geschrieben hat – und dennoch ist Lepra weiterhin ein großes gesundheitliches Problem. Vernachlässigte Tropenkrankheiten wie Lepra oder Buruli Ulcer sind in den meisten Fällen armutsassoziiert. Sie treffen in den Ländern des globalen Südens, wo wir aktiv sind, Menschen, die oft in großer Armut leben. Vor allem in den entlegenen Regionen ist es nicht einfach, diese Menschen zu finden und zu diagnostizieren. Gerade das ist aber so wichtig: um Ansteckungen zu vermeiden, um Krankheiten zu heilen und Folgen wie Behinderungen, Stigmatisierung und Ausgrenzung zu verhindern. Damit wir diese aktive Suche nach neuen Krankheitsfällen noch gezielter und effektiver angehen können, haben wir zwei Forschungsprojekte gestartet und setzen darin den strategischen Ansatz des Mappings um, also der Kartierung.

Bei einem dieser Projekte handelt es sich um ein von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefördertes Projekt in Togo. Sie arbeiten dafür mit der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) zusammen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und warum hat die DAHW Togo als Projektland ausgewählt?

Dr. Kasang: In Togo kümmern wir uns schon lange um Menschen, die von Buruli Ulcer betroffen sind. Diese Hautkrankheit wird durch das dem Lepra-Bakterium verwandte, „Mycobacterium ulcerans“ ausgelöst. Dieses scheidet einen Giftstoff (Mycolactone) aus, welcher die Haut und das Gewebe bis hin zum Knochen zerstört und die Immunabwehr sowie das Schmerzempfinden unterdrückt. Wir unterstützen in Togo eine Klinik in Tsévié, in der Patient:innen diagnostiziert, medizinisch versorgt und rehabilitiert werden. Hier werden auch Hauttransplantationen durchgeführt sowie Rehabilitationsmaßnahmen, um den Menschen wieder zu Beweglichkeit zu verhelfen. Neben Buruli Ulcer ist vor allem Lepra die vorherrschende Krankheit, die hier diagnostiziert wird. Durch unsere Klinikpartnerschaft mit Tsévié wurde deutlich, dass zu viele Krankheitsfälle leider viel zu spät entdeckt werden. Würde man früher diagnostizieren, hätten die Patient:innen viel größere Heilungschancen und Folgen wie bleibende Einschränkungen oder Behinderungen würden gar nicht erst entstehen. Das ist besonders im Norden des Landes ein Problem, der von starker Armut und Unsicherheit, einer sehr schwachen sozioökonomischen Struktur und fehlender Infrastruktur geprägt ist. Die Menschen in den Dörfern können nicht mal eben zum Arzt gehen.

Hinzu kam, dass vor einigen Jahren auch die vernachlässigte Krankheit Frambösie (Yaws) wiederentdeckt wurde. Diese chronische Hautinfektion ist eigentlich auf dem Weg der Eradikation, also der kompletten Ausrottung. Aber in Togo gibt es noch Fälle von Frambösie, sodass das Nationalprogramm für NTDs reagieren musste. Das Problem dabei: Niemand weiß, wie die Fälle im Land verteilt sind.

Die Zusammenarbeit mit der THWS ist über das DZVT (Deutsches Zentrum für vernachlässigte Tropenkrankheiten) entstanden. Auf der Gründungsveranstaltung in Würzburg entstand die Idee der Zusammenarbeit mit Mark Vetter, der die Professur für Geovisualisierung an der THWS bekleidet. Die DAHW geht gemeinsam mit der THWS nun einen innovativen Weg, um genau diese Verteilung der Krankheitsfälle besser nachvollziehen zu können. Hierzu werden zunächst die Standorte des Auftretens der Krankheit in einem Geographischen Informationssystem (GIS) erfasst (Mapping). Über Analysen dieser Geodaten im GIS können räumliche Zusammenhänge zur Verursachung der Krankheiten und deren Ausbreitung ermittelt werden. Diese Erkenntnisse sind die Grundlage, um Kampagnen zur Heilung oder Schutzmaßnahmen zur weiteren Ausbreitung der Krankheit durchzuführen. Mithilfe dieser Methoden werden u.a. thematische Karten erstellt, in denen die Krankheitsfälle von Lepra, Buruli Ulcer und Frambösie der letzten zehn Jahre eingezeichnet sind – und das auf Dorfebene, also wirklich auch in den entlegenen, vernachlässigten Regionen. Mit Hilfe der Karten und dem Wissen, wo genau es Fälle gibt, können wir die Fallsuche nun ganz gezielt angehen.

Wie sieht diese gezielte Fallsuche aus?

Dr. Kasang: Unsere Teams führen aufgrund dieser Datenlage um die 60 Skin Camps durch. Das sind mobile Hautkliniken, bei denen die Bewohnerinnen und Bewohner eines Dorfes auf mögliche Hauterkrankungen untersucht, diagnostiziert, weiter überwiesen oder direkt medizinisch versorgt und medikamentös behandelt werden – auch prophylaktisch.

Was genau bringen die Karten für die Arbeit der DAHW?

Dr. Kasang: Eine solche Datenlage und die daraus entstandenen Karten sind für unsere Arbeit Gold wert. Wir können noch viel gezielter vorgehen als bisher und uns auf die vernachlässigten Regionen konzentrieren. In unserem Bemühen, diese vernachlässigten Krankheiten auch in Togo in den Griff zu bekommen, kommen wir damit einen großen Schritt weiter. Durch die integrierte Vorgehensweise, also die Berücksichtigung aller drei Haut-NTDs gleichzeitig, gelingt es der DAHW zudem, die Fördergelder besonders effektiv und effizient einzusetzen und eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Wir haben selbst Dermatologen und Dermatologinnen ausgebildet in Togo und verfügen über ein sehr gutes Netzwerk. Die Fachkräfte vor Ort können selbstverständlich alle Hautkrankheiten diagnostizieren.

Haben Sie vor, dieses Projekt in Togo weiter auszubauen? Dr. Kasang: Auf jeden Fall. Wir haben viele neue Ideen, wie wir die Karten noch sinnvoll erweitern können und auf Basis dieser Datenlage weiter forschen können. So wollen wir weitere Daten erheben, die uns dabei helfen könnten, die Ansteckungsherde von Buruli Ulcer genauer zu definieren. Dazu wollen wir in den Karten die Wasserstellen eintragen, an denen die betroffenen Menschen ihr Trinkwasser holen. Wir wissen, dass das Bakterium, das Buruli Ulcer hervorruft, unter anderem auch in Wasserstellen zu finden ist. Wenn wir herausfinden, welche Wasserstellen kontaminiert sind, würde uns das wieder einen großen Schritt weiterbringen.

Ebenso analysieren wir die Entfernung der betroffenen Dörfer zur nächsten Gesundheitsstation. Denn je größer die Distanz, desto schlechter die medizinische Versorgung und desto höher die Wahrscheinlichkeit einer fortgeschrittenen Erkrankung, die eigentlich hätte verhindert werden können. Die Anzahl der Menschen, die bei einer Lepradiagnose schon eine Grad-2-Behinderung haben, also eine sichtbare, oft irreversible Behinderung, ist ein weiterer wichtiger Indikator, um den Fortschritt bei der Leprabekämpfung zu beurteilen, insbesondere für die frühe Fallfindung. Eine solche Behinderung ist oft eng verbunden mit der Distanz zum nächsten Gesundheitszentrum.

Können mithilfe von Mapping auch Ansteckungswege nachverfolgt werden?

Dr. Kasang: Teilweise ja. Speziell bei der Frambösie achten wir auch auf die Interaktion der betroffenen Menschen, weil es sich dabei um eine hoch infektiöse Erkrankung handelt, die direkt von Mensch zu Mensch geht. So versuchen wir, anhand der Karten nachzuvollziehen, wie die Übertragung stattgefunden haben könnte. Ebenso stellen wir den Armutsindex in Zusammenhang, denn Armut, mangelnde oder schlechte Ernährung, fehlender Zugang zu Wasser, all das sind Faktoren, die die Ausbreitung dieser Krankheiten begünstigen. Wir integrieren zum Beispiel die Daten von Landwirtschafts-Experten und -Expertinnen, um die Auswirkungen der Ernährung gezielter untersuchen zu können. All das will die DAHW in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftler:innen der THWS in Zukunft angehen. Bis dahin dienen die bislang erstellten Karten als ideale Basis, um die 60 Dörfer zu identifizieren, in denen nun Skin Camps stattfinden werden.

Neben der Kartierung von Togo ist die DAHW außerdem Teil eines globalen Mapping-Projektes der ILEP (International Federation of Anti-Leprosy Associations).

Dr. Kasang: Genau. Entstanden ist die Idee unter NTD-Wissenschaftlern und -Wissenschaftlerinnen auf einer internationalen Konferenz, als man gemeinsam überlegte, ob es nicht möglich sei, die aktuell ca. 200.000 – 250.000 weltweiten Lepra-Fälle zu kartieren. Neben der DAHW sind weitere Nichtregierungsorganisationen wie NLR (Niederlande), die Damian Foundation (Belgien), ALM (USA) und TLM (England/Wales) an diesem Projekt beteiligt. Die ILEP selbst übernimmt dabei neben der finanziellen Unterstützung die Koordination, um die Erfahrungen und Daten bereits bestehender Mapping-Projekte der Organisationen zusammenzutragen und die Daten in ein übergeordnetes System aufzunehmen und verfügbar zu machen. Die DAHW wird Daten aus ihren Projektländern Togo, Äthiopien, Tansania und Pakistan, eventuell auch Sierra Leone, mit in das Projekt bringen und beginnt derzeit damit, die Daten zu sammeln und aufzubereiten. Das Steering Committee, ein Gremium aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, hat dann die Aufgabe, die Methoden ab- und anzugleichen, sodass wir am Ende eine einheitlich strukturierte und aufbereitete Datenbank zur Verfügung haben. Sozusagen eine Weltkarte für Lepra.

Wird diese Kartierung auch für die Fallsuche genutzt?

Dr. Kasang: Natürlich hoffen wir, dass wir anhand dieser Retrospektive noch einmal neue endemische Gebiete ermitteln, zum Beispiel Regionen, wo es Lepra gibt, aber keine Fälle gemeldet werden, weil kein ausgebildetes Personal da ist oder keine Fall-Überwachung stattgefunden hat. So könnte man ganz gezielt nach diesen versteckten Lepra-Fällen suchen. Zum anderen sind diese Karten für uns auch ein Planungstool, etwa um festzulegen, wie viele Medikamente gebraucht werden und vor allem, wie diese in den Ländern verteilt werden. Das Projekt ist also auch eine gute Basis für infrastrukturelle Entscheidungen, die getroffen werden müssen.

Welche Rolle spielt die WHO bei diesem Projekt?

Dr. Kasang: Sie spielt eine sehr wichtige Rolle. Denn ein wichtiges Ziel dieses globalen Mapping-Projekts ist es, Synergien zu bündeln anstatt Parallelstrukturen aufzubauen. Wir arbeiten eng mit der WHO zusammen und wir wollen auch das Datenmanagement-System von der WHO dafür verwenden. Dieses System heißt DHIS2, also Data Health International Support System II. Wir wollen dieses mit den Mapping-Daten füttern: den Koordinaten der betroffenen Menschen und den Informationen über die Gesundheitszentren, damit wir wissen, wohin wir dann die Medikamente liefern müssen. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung der WHO, deren DHIS2-Experte uns sehr gut berät und sehr zuversichtlich, mit unseren Mapping-Projekten im Kampf gegen vernachlässigte Krankheiten wieder ein großes Stück voranzukommen.

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der DAHW)